Frauen an den Herd

So eine Frau war Anna noch nie begegnet.

Also, was Anna wollte, war von Anfang an klar gewesen und Sophie schien auch einverstanden zu sein. Zunächst jedenfalls. Vielleicht war Anna es auch einfach ein wenig schnell angegangen. Sie war schon immer sehr impulsiv gewesen. Vielleicht war Sophie auch einfach aus der Übung, sie schien mindestens dreißig zu sein und damit mindestens acht Jahre älter als Anna.

Aber von Anfang.

Anna war mit der klaren Absicht, Sex zu haben, ins Café gefahren. Mit der Absicht, im Café eine Frau zu finden, mit der sie später Sex haben konnte, und fertig. Mehr nicht.

Und da saß diese Frau am Tresen. Groß, schlank, lange, hellblonde Haare. Anne hatte sie zunächst, von hinten, auf ihr eigenes Alter geschätzt, ihre Schultern waren so schmal, die Beckenknochen zeichneten sich hart unter dem engen, schwarzen Shirt ab. Auch die enge, verwaschene Jeans und die ausgetretenen Stoffschuhe sahen nicht so richtig erwachsen aus.

Also eher Anfang zwanzig als Anfang dreißig.

Unter dem Vorwand, sich an der überfüllten Bar etwas zu trinken bestellen zu wollen, lehnte Anna sich leicht gegen den Rücken der Frau, die sie hier noch nie gesehen hatte, obwohl sie oft kam, seit sie achtzehn geworden war. Und wirklich nur zu Anfang mit dem Motiv, ihre Mutter ärgern zu wollen. Sie fühlte sich wohl hier.

Die Frau drehte sich um und lächelte Anna verhalten zu. Anna sah kleine Fältchen um den Mund und die Augen, die ihrem eigenen Gesicht so nah waren, und es gefiel ihr, dass die Frau sich keine Mühe gab, sie unter Schminke zu verbergen,

„Ganz schöner Andrang. Soll ich dir was bestellen?“ Anna las es mehr von den Lippen ab, als es zu hören, so laut war die Musik. „Dann musst du nicht so schreien.“

„Nen Bier!“

„Was für eins?“

„Nen Bier-Bier.“ Anna grinste, als sie der schönen Frau ins Ohr schrie. Das Bier einfach Bier zu nennen, war ne coole Idee, denn Geschmack braucht keinen Namen, wie es so schön auf dem Etikett hieß, doch beim Bestellen führte das regelmäßig zu Verwirrungen. Daran, dass die Frau verstanden hatte, erkannte, Anna, dass sie die Marke wohl kannte. „Ich bin Anna!“

„Sophie!“

Vom Schreien in der dunstigen Luft tat ihr sofort der Hals weh, obwohl die Bar rauchfrei war. Aber auch Schweiß, viele Menschen und Nebelmaschinen verdicken die Luft und eine Spur Zigarettenrauch kam auch immer mit den Rauchern aus dem Wintergarten.

Sophie beugte sich vor, um Annas Bestellung der Barkeeperin zuzuschreien, und Anna nutzte die Gelegenheit, sich mit einer Hand auf Sophies Barhocker abzustützen. Sophie lehnte sich zurück und – leise lächelnd, ohne zu widersprechen – an Annas Arm. Als Anna sich vor lehnen musste, um ihr Bier zu bezahlen und in Empfang zu nehmen, legte sie auch den anderen Arm um Sophie, sie waren einander sehr nah, Sophies Kopf fast an Annas Schulter.

„Bist du neu hier?“, schrie Anna in Sophies Ohr.

Sophie nickte. „Seit drei Monaten.“

„In der Stadt?“

Sophie nickte wieder.

„Ich meinte eher das Café …“ Verdammt, es war viel zu laut, um sich zu unterhalten. Aber tanzen ging schlecht mit ihren Bierflaschen, Sophie trank irgendeine Marke, die Anna nicht kannte, ihre Augen waren von einem total verrückten Grün.

„Nach Arbeitsplatz, Wohnung, Bioladen und Hausarzt hab ich jetzt endlich Zeit, auch nach Lieblings-Feierabendplätzen zu suchen …“

Sie lachten und sahen einander tiefer in die Augen, als Anna das in solch einer Situation gewohnt war. In ihrem Bauch zog es. Ein Stoß von irgendjemandes Ellbogen in ihren Rücken, lieferte ihr den willkommenen Vorwand, noch dichter an Sophie heranzurücken. Annas Lippen strichen zaghaft über Sophies und hielten sich an ihnen fest.

Sophie wehrte sich nicht.

Schon nach wenigen Sekunden hatten Annas Lippen sich an Sophies gewöhnt, Anna drückte Sophie leicht gegen die Bar. Das Ziehen in ihrem Bauch wurde drängender.

Sanft, aber bestimmt schob Sophie Anna zurück und trank ihr Bier aus. „Wollen wir tanzen?“

Eigentlich wollte Anna das nicht, aber wenn Sophie zum Küssen vorerst nicht zu haben war …

Sophies Tanzstil war flippig, raumgreifend, fast schon aggressiv und lud definitiv nicht zum Schmusen ein (erklärte aber ihre tadellose Figur); das Einzige, was Anna blieb, war, Sophies Hand nicht herzugeben und sie hin und wieder zu küssen.

Nach fünf oder sechs Liedern hielt Anna es nicht mehr aus (zumal sie definitiv nicht so gut in Form war). „Rauchst du?“, brüllte sie Sophie ins Ohr und zog sie, ohne auf eine Antwort zu warten, mit sich in den Wintergarten, in dem es auch jetzt, im Dezember, kuschelig warm war durch die vielen vom Tanzen erhitzten Menschen und deren Zigaretten.

Selbst im Gehen tanzte Sophie noch weiter, ihre langen hellen Haare flogen um ihren schmalen Kopf und ihr freier Arm drohte alle Umstehenden zu schlagen.

Kaum waren sie draußen, drückte Anna Sophie in einer leeren Nische an die Wand und küsste sie stürmisch. Die Wand war feucht von Kondenswasser und eklig glitschig, doch das störte beide nicht.

Wieder war es Sophie, die den Kuss sanft und bestimmt beendete und Annas Hände im Zaum hielt. „So so … rauchen nennst du das also …“, lachte sie.

„Nein … nein …“ Der stille Spott in Sophies Stimme irritierte Anna. Im weißen grellen Licht des Wintergartens sah Sophie noch älter aus und für einen kurzen Moment hatte Anna das bizarre Gefühl, sie versuche ihre homophobe, zynische Mutter zu verführen.

Aber schnell hatte sie sich wieder gefangen. „Siehst du denn nicht, wie mein Kopf raucht? – Zigarette?“ Lachend zog sie die zerknitterte Schachtel aus ihrer Gesäßtasche und bot Sophie eine an.

Nachdenklich nahm sie sie entgegen. „Nur damit wir das klarstellen, Anna. Du wirst heute Nacht nicht mit zu mir kommen.“

„Aber zu mir können wir auch nicht, ich wohne mit meiner Mutter zusammen und sie-“

Sophie lachte leise. „Ich glaube, du hast mich schon verstanden. One-night-stands sind nicht wirklich mein Ding.“

Das Ziehen in Annas Bauch erkaltet sofort. „Du willst also nicht mit mir schlafen. Aber rumknutschen in der Disko ist okay.“ Ihre Stimme klang selbst in ihren eigenen Ohren allzu bitter und anklagend.

Doch Sophie lachte immer noch und hob sacht Annas Gesicht an, um ihr in die Augen sehen zu können. „So ein Quatsch, du Dummerchen. Aber ich würde dich gern kennen lernen vorher. Wenn du magst, können wir uns schon morgen wiedersehen.“

„Und was machen wir dann? Wenn nicht …“ Anna war nicht überzeugt.

„Du kannst also nichts anderes mit einer Frau anfangen?“ Schon wieder dieser feine Spott, der Anna das Gefühl gab, noch viel zu jung zu sein. Und nein, ihr fiel wirklich nichts anderes ein. Zum Spazieren gehen war es zu kalt. Kino würde unweigerlich zu – nicht erlaubtem – Fummeln führen. Zumal man sich auch nicht wirklich kennenlernt, wenn man gemeinsam schweigend einen Film ansieht. Was sollten sie also machen – einander vorlesen als wären sie achtzig? „Wir könnten kochen …“ Sophies Nachsatz kam so spät, dass Anna ihn in ihren Grübeleien fast überhört hätte.

„Äh … das ist jetzt nicht so mein Ding.“ Und vor allem so was von unlesbisch. Fight your rolemodel. Anna wird niemals kochen. „Ich bin mehr der Tiefkühlpizza-und-Müsli-Typ.“

„Hauptsache schnell schnell, wie?“ Sophie grinste und Anna zuckte abwehrend mit den Schultern. Ihr Kopf verlor schon das Interesse an Sophie, ihr Bauch allerdings nicht. „Und was isst du sonst noch gerne?“

„Schokolade …“, murmelte Anna unaufmerksam, während sie sich schon im Wintergarten nach einer anderen Frau umsah, die ihren Bauch zufrieden stellen könnte, einer jüngeren möglichst, die nicht so viele Fragen stellte.

„Gebongt. Dann kochen wir Schokolade.“ Sophie lachte und küsste die verdutzte Anna, die vor lauter Verwunderung fast vergaß, den Kuss zu erwidern.

Sie tanzten, bis um drei Uhr dreißig das Licht anging, küssten sich und fuhren getrennt voneinander mit unterschiedlichen Straßenbahnen nach Hause.

Jetzt sitzt Anna wieder in der Straßenbahn, auf dem Weg zu Sophie. Schokolade kochen. Was bitte soll das bedeuten? Und überhaupt, worauf hat sie sich hier eingelassen? Sophie wirkt so – erwachsen. Und Anna nicht. Obwohl – vielleicht wird man gar nicht durch die Jahre erwachsen, vielleicht ist es eine Entscheidung, mit den sinnlosen Spielereien aufzuhören. Neues auszuprobieren. Das jedenfalls hat Anna schon immer gerne gemacht. Und was soll’s – wenn es scheiße wird, kommt sie halt nicht wieder. Sie fährt ja nicht zum Traualtar.

Als Anna im dritten Stock des gutbürgerlichen Mehrfamilienhauses ankommt, steht die linke Wohnungstür einen Spalt breit offen. S. Klug verkündet ein kleines, schmuckloses Namensschild. Hoffentlich passt der Name nicht allzu gut zu ihrer Trägerin, sonst wird sie schnell merken, wie dumm ich bin. Anna hat einen Klos im Hals, als sie zaghaft klopfend die Tür aufschiebt. Wann hat sie das letzte Mal Angst vor einem Rendezvous verspürt? Hat sie es jemals?

Hat sie allerdings jemals ein Treffen gehabt, das den Namen Rendezvous verdient hätte? Vermutlich nicht. Und das wird der Grund dafür sein, dass sie jetzt so aufgeregt ist. Sie fühlt sich gleichzeitig gruselig erwachsen und fürchterlich verletzlich.

„Sophie?“ Anna stolpert durch die Tür in eine geräumige Diele, an deren weißgetünchten Wänden bunte, anscheinend selbstgemalte Bilder hängen.

„Hier!“, kommt Sophies Stimme aus der hintersten Tür.

Anna schließt leise die Wohnungstür, streift die nassen Schuhe ab und sieht sich nach einem Platz für ihre dicke Jacke um, Sie findet keine. Es müsste nicht unbedingt eine Garderobe oder ein Kleiderständer sein, obwohl sie in einer Wohnung wie dieser damit gerechnet hätte. Sie wäre auch mit einem Stuhl oder einer Kiste zufrieden gewesen, aber in der Diele gibt es nicht ein einziges Möbelstück. Anna kann doch ihre Jacke nicht einfach auf den Boden werfen, wie eine Sechsjährige, die aus der Schule nach Hause kommt und Mama fragt, was es zum Mittagessen gibt …

Sophie kommt aus der Küche, ein Geschirrtuch in den Händen. „Hey, schön, dass du da bist. Wie gesagt, ich wohne noch nicht lange hier, deshalb bin ich noch nicht ganz fertig mit einrichten. Werf deine Jacke einfach auf die Couch.“ Sophie weist mit dem Kopf auf die offene Tür rechts neben Anna, hinter der ein Wohnzimmer liegt, das wahrscheinlich den Namen Salon verdient hätte. „Oder ist sie feucht? Dann häng sie besser an die Türklinke – gib her.“

Anna ist total überrumpelt. Sophie kann nicht wirklich mehr geschlafen haben als sie selbst, aber sie wirkt so wach und lebendig, wie Anna sich selten fühlt.

Sophie nimmt Anna ihre Jacke aus den Händen, hängt sie über die Tür zum Wohnzimmer und drückt Anna kurz an sich. Sophie riecht nach Spülwasser, Zahnpasta und ein bisschen nach Meer.

„Komm.“ Sophie zieht Anna mit in die Küche. „Ich hoffe, du magst Marzipan. Ich hatte ja nicht grad Zeit, noch einzukaufen, und durch den Umzug und so ist meine Backkiste nicht sonderlich gut sortiert.“ Sophie weist mit einer Hand auf ihren Küchentisch und Anna gehen fast die Augen über: auf etwa einem Quadratmeter dunklen rustikalen Holzes liegen mehrere Tafeln Blockschokolade, Nüsse, zwei Blöcke Marzipanrohmasse, Mandeln – gehackt, in Stiften und ganz –, bunte Zuckerperlen und Zuckerstreuseln sowie mehrere Pakete Mehl, Zucker und Backpulver.

„Du backst wohl viel?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Backen ist ja nicht so Annas Ding, essen dagegen …

Sophie lacht. „Nicht so viel, wie ich gerne backen würde. Ich komme viel zu selten dazu. Und dann hab ich immer viel mehr, als ich essen kann …“

„Oh, dabei helfe ich dir gerne“, lacht Anna und zieht Sophie in ihre Arme. Ein Kuss wird ihr sicher helfen, wieder ein bisschen Oberhand über sie Situation zu gewinnen. Das hier wirkt alles so schrecklich unwirklich …

„Na, na, mein Kind. Naschen ohne Arbeit gibt es bei mir nicht.“ Sophie löst sich lachend von Anna und dreht sich zur Arbeitsfläche neben der Spüle um. „Du wirst sehen, es wird dir Spaß machen.“

Das bezweifelt Anna stark. Aber solange das Naschen irgendwann dran kommt …

Sophie putzt eine Orange in der Spüle und Anna nutzt die Zeit, sie genauer zu betrachten. Sie trägt eine weite, dunkelbraune Wollhose und ein grünes T-Shirt, Kleidung, die durch die Geschmeidigkeit des schweren Stoffs die schlanke Linie Sophies noch mehr betonen, als engere (oder gar keine) das vermocht hätte, der Hintern ist echt unglaublich und der Rücken so schmal und gerade, als könne sie sich in jeder Umgebung ohne Unsicherheiten bewegen. Die langen, glatten Haare sind mit einem schwarzen Gummi zusammengebunden, sie sind grau, nicht blond, wie Anna gestern im Kneipenlicht gedacht hatte. Wie alt sie wohl sein mag? Mit Erstaunen merkt Anna, dass es ihr völlig egal ist.

Unsicher fährt sie sich mit der Hand durch ihr eigenes, raspelkurzes, braunes Haar. Es sollte ihr nicht egal sein, oder? Das ist nicht normal.

Sophie dreht sich um und drückt Anna die tropfende Orange in die Hand, ganz geschäftsmäßig, als würde sie Annas Unsicherheit nicht bemerken. Anna ist ihr merkwürdig dankbar dafür. Eigentlich hätte sie ihr böse sein müssen, sie überhaupt in diese Situation gebracht zu haben. Das hier ist Sophies Wohnung, Sophies Revier. Und eine Tätigkeit, die gar nicht in Annas Komfortzone liegt. Kein Wunder also, dass sie etwas unsicher ist. Wut darüber hätte ihrem Wesen so viel besser entsprochen, als dieser plötzliche Wunsch, sich anzulehnen und führen zu lassen.

Doch statt einen zynischen Spruch darüber zu machen, warum Sophie wohl kochen besser findet als Sex, nimmt sie die Orange und eine Reibe entgegen und stellt sich neben Sophie an die kleine Arbeitsfläche. Ihre Schultern berühren sich beinahe und der Meerduft aus Sophies Haaren verwirrt Annas Geist.

„Reibst du schon mal die Schale ab? Aber nur ganz dünn, das Weiße darunter ist zu bitter. Teller zum Draufreiben sind im Schrank über deinem Kopf.“

Sophie bricht eine Tafel Blockschokolade in Stücke und legt sie in eine Porzellanschale, die in einem Topf dampfenden Wassers auf dem Herd dümpelt. „Also, Lektion Nummer Eins: Du musst die Schokolade vorm Schmelzen nicht kleinhacken, wie es in so vielen Kochbüchern steht. Das dauert viel zu lange.“ Anna lacht und blickt kurz zu Sophie hinüber, wobei sie sich prompt mit der Reibe über die Haut fährt. Fluchend steckt sie den blutenden Finger in den Mund. Sophie lacht liebevoll. „Vorsicht, Liebes, wir wollen hier vegane Pralinen machen. Brauchst du nen Pflaster?“

Anna schüttelt den Kopf und wendet sich wieder der Orange zu, um die Röte ihrer Wangen und die Tränen in den Augen über ihre Ungeschicklichkeit zu verbergen. Damn, sie hasst es zu kochen!

„Aber achte darauf, dass das Wasser nicht kocht“, führt Sophie ihren Schokoladenkochkurs fort, „die Schokolade wird cremiger, wenn sie langsam schmilzt, außerdem darf kein Wasser über den Schüsselrand blubbern.“

Anna nickt nur. Sie hat immer noch mit ihren Tränen zu kämpfen. Worauf hat sie sich hier bloß eingelassen?

Sophie schlingt die Arme um Annas Bauch und legt ihr Kinn auf Annas Schulter. „Du findest das hier total blöd, oder?“

„Nein, nein“, widerspricht Anna tapfer. Jetzt muss sie das auch durchhalten. Vielleicht ist heute der richtige Tag, erwachsen zu werden. Oder zumindest so etwas ähnliches.

Aber Sophie wirkt nicht wirklich überzeugt. Sie ist also auch unsicher. Immerhin etwas. „Ist wirklich alles in Ordnung?“

Anna legt die Orange, die jetzt vollständig gehäutet ist, zu Seite und dreht sich in Sophies Armen um. Mit Mühe kriegt sie ein Lächeln zustande. „Klar. Ich hab noch nie Pralinen selber gemacht. Aber im Pralinen essen bin ich zumindest ganz gut.“

Sophie lacht und küsst Anna innig.

Anna deutet auf die geriebene Orangenschale. „Fertig Chefin. Was nun?“

„Jetzt kannst du einen Block Marzipan in einer Schüssel, die du – ich weiß nicht mehr, in welchem Schrank, guck einfach, was du findest. Jedenfalls Marzipan mit der Orangenschale vermengen, ein bisschen Saft drüber pressen und gut verkneten.“ Sophie fischt derweil Mandeln aus heißem Wasser und zieht die braune Haut ab. Die meisten der weißen Mandelkerne zerfallen sofort in mindestens zwei Teile. „Merde, wie machen die das eigentlich immer, dass sie ganze weiße Mandeln auf ihre Pralinen kleben können? Die müssen eine andere Technik haben als ich“, flucht Sophie.

Anna, die gerade mit einer Schüssel an ihr vorbei geht, drückt ihr lachend einen Kuss auf die Wange, dankbar dafür, dass Sophie auch ihre Schwierigkeiten in der Küche hat.

„Ja, lach nur“, lacht Sophie, „ich hab dir ja auch die viel weniger frustrierenden Aufgaben übertragen.“

Anna grinst Sophie an. „Ich bin ja auch Anfängerin.“ Eine Hand in der Marzipanrohmasse drückt sie mit der anderen eine Orangenhälfte über der Schüssel aus. Sie zerbröselt das Marzipan mit den Fingern und schnell ergibt sich eine klebrige, flüssige Masse.

„Oh oh, ein bisschen Saft, sagte ich“, lacht Sophie, „wie willst du denn aus diesem Brei Kugeln formen?“

„Du hast mir nicht gesagt, dass das Marzipan noch zum Kneten sein soll, Meisterin“, schimpft Anna lachend. „Und nun?“ Ihre Finger sind komplett mit der Masse umgeben, sie leckt vorsichtig am Zeigefinger. „Aber schmeckt geil …“

„Und mit dem angeleckten Finger willst du jetzt wieder weiterkneten, du Ferkel?“, lacht Sophie, „du hast wohl noch nie in der Gastro gearbeitet? Zeig mal …“ Sophie lutsch an Annas Daumen. Die Gefahr von Tränen ist jetzt endgültig gebannt, dafür kehrt das Ziehen in Annas Unterleib zurück. „Hmm, nicht schlecht. Wir kippen einfach noch Zucker rein, bis es einigermaßen fest ist. Marzipan ist ohnehin zum größten Teil Zucker – nein, lass mich, guck dir doch deine Hände an, du Marzipanschweinchen …“

Annas Bauch tut weh vom Lachen und von Sophies Nähe. Sie hat Lust, ihre Marzipanverklebten Finger durch Sophies Haare zu fahren, als diese sie leidenschaftlich küsst, was den Vorteil hätte, dass sie gemeinsam Duschen gehen könnten … doch sie lässt es bleiben. Wider Erwarten beginnt sie Gefallen an der Küchenarbeit zu finden.

Und Sophie ist schon lange kein One-Night-Stand mehr.

Sophie begibt sich zurück zu ihren zu häutenden Mandeln und Anna knetet Marzipan, Zucker und Saft zu einer zähen Maße. „Und dann?“

„Dann formen wir Kugeln aus dem Orangenmarzipan, so gut es eben geht, tauchen sie in die Schokolade und kleben eine Mandel drauf. Oder eher ne Halbe, da sie immer auseinander fallen …“

„Und dann?“

Sophie lacht. „Dann haben wir uns das Naschen verdient.“

Na, solange das Naschen irgendwann eingeplant ist …