Throwback Thursday · Workshops Kreatives Schreiben

Drei Straßen

Aufgabe: Eine bekannte Straße aus drei Perspektiven beschreiben: Ein kleines Kind, eine junge Frau/ junger Mann, ein alter Mann/ alte Frau

Stein für Stein für Stein. Mama sagt, ich soll nicht auf der Straße laufen, aber hier ist eh kein Auto und es macht so viel Spaß. Stein für Stein. Manchmal sind diese runden Steine so klein, ich kann nur mit den Zehenspitzen darauf stehen, aber ich darf nicht auf die Linien treten, die Linien sind der Nil und darin schwimmen Krokodile. Wenn ich von dem Stein abrutsche, fressen sie mich.

Die Steine sind glitschig, aber meine Schuhe sind ganz trocken, kein grünes Nilwasser dran, ich bin ziemlich gut.

Der Baum dahinten mit den dünnen Ästen könnte meine Liane sein, wenn ich bis dahin komme, bin ich gerettet, die Sonne brennt auf meinen Kopf, es ist heiß in Amerika. Oder wo auch immer der Nil fließt. Überall sind Mücken, aber ich darf nicht nach ihnen schlagen, sonst rutsche ich aus und falle ins Wasser.

Oh, da ist ein Hase! Jetzt sind die Steine nicht mehr der Weg über den Nil, sondern einfach nur Steine, über die ich wegrennen kann.

 

Kopfsteinpflaster, auch das noch. Ich bin eh schon spät dran. Verdammt, warum gibt es überhaupt noch Kopfsteinpflaster? Als hätte noch niemand den Asphalt erfunden.

Da zeigt sich mal wieder, dass es eine Männerwelt ist, in der wir leben. Wenn die Straßenbauleute vom Amt mal versucht hätten, in High Heels über Kopfsteinpflaster zu gehen, hätten die das schon lange abgeschafft.

Die Fußwege gehen ja noch. Da sind die Pflastersteine winzig und eben, aber in dieser Gegend gibt es doch eine Million Nebenstraßen, die es zu überqueren gilt. Und noch nicht einmal abgesenkte Bordsteine, an Radfahrer haben die Stadtplaner auch nicht gedacht.

Mist, jetzt hätte ich mir fast den Absatz abgebrochen. Was machen denn die Leute, die hier wohnen? Immer nur mit Turnschuhen rumlaufen? Oder besser gleich zu Hause bleiben.

Für einen Kinderwagen wäre das auch nichts, das arme Kind würde ja seekrank werden. Und alles zugeparkt. Vor lauter Autos sieht man die Rillen gar nicht, in denen der Absatz hängen bleibt.

Au, verdammt, jetzt hab ich mir das Knie an dieser verflixten Stoßstange gestoßen. Das gibt bestimmt ne Laufmasche. Wenn hier die Autos nicht sogar in den Ecken geparkt wären, hätte ich richtig auf der Straße gelegen. Hoffentlich wird mein Knöchel nicht dick.

Und ich dachte, die paar Schritte gehen würden mich vor dem Vorstellungsgespräch noch beruhigen. Ablenken tut es mich ja, aber nicht auf eine gute Art.

So sehr aufs Laufen konzentrieren musste ich mich das letzte Mal, als ich mit fünfzehn angefangen habe, Pumps zu tragen. Mein Gott, war das peinlich. Das unregelmäßige Klackklack der Absätze auf den Fliesen der Aula. Aber mittlerweile habe ich mich doch daran gewöhnt. Auf vernünftigen Straßen jedenfalls.

Mann, mit Turnschuhen wäre das auch nicht einfacher. Wie viele Jogger sich hier wohl schon die Knöchel gebrochen haben? Da läuft ein Hase. Mit zwei Sätzen ist er über die Straße.

Was gäbe ich jetzt dafür, auch so laufen zu können? Ohne Strumpfhose könnte ich mir ja einfach die Schuhe ausziehen und barfuß weitergehen. Obwohl – dann würde ich mir bestimmt einen Zeh brechen.

 

Ach Gott, Alt sein ist doch detsch. Ich habe Kopfsteinpflaster immer geliebt. Es sieht so schön aus und es erinnert mich an früher. Aber jetzt lässt es mich stolpern. Und jeder Versuch, mich abzufangen, was früher so leicht ging, zieht jetzt durch den ganzen Rücken.

Immer rutscht mein Stock von den Steinen ab. Ich sollte langsamer gehen, aber ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen. Ich bin mal Hürden gelaufen! Schwer zu glauben, wenn man mich jetzt so sieht. Wie bin ich bloß so alt geworden? So lange ist das doch noch gar nicht her.

Jeder Bordstein fühlt sich an wie der Kilimandscharo. Meine Knie sind mit Reis gefüllt, der an den Knochen reibt. Und von wegen, diese neue Hüfte würde mir das Gehen erleichtern.

Es kann doch echt nicht wahr sein, dass ich nur noch auf glatt gebohnerten Wegen gehen kann. So etwas hässliches, einfach gemachte Welt für eine überalterte Gesellschaft. Aber zu diesen Bedingungen will ich gar nicht alt sein.

Wenn ich nicht mehr über Kopfsteinpflaster und Wiesen laufen kann.

Huch, jetzt wäre ich schon wieder fast gefallen. Immerhin kann ich mir nicht mehr die Hüfte brechen, die ist ja jetzt aus Titan. Robotermensch.

Alt sein ist echt detsch.

Eigentlich sollte ich wohl nur noch zu Hause bleiben. Oder unter ein Auto fallen. Aber dafür ist hier zu wenig los. Es ist herrlich ruhig. Auch darum gehe ich hier so gerne spazieren. Wenn nur meine Knie besser mitmachen würden.

Oh, da läuft ein Hase! Das wundert mich jedes Mal wieder, dass Feldhasen sich hier in der Stadt niedergelassen haben. Was für junge flinke Beine.

Ja, so konnte ich auch mal über Hürden laufen. Und jetzt ist schon ein Bordstein eine kaum zu überwindende Hürde.

Ein Kommentar zu „Drei Straßen

  1. Oh, ich mag am liebsten die alte Frau! 🙂
    Da du die Aufgabe am Anfang schon verrätst, nimmst du der Sequenz viel von ihrer Spannung – vllt lieber ans Ende stellen?
    Lg Anna

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