Da war dieser blaue Tag. Du warst irgendwo und ich woanders, den Stift auf Papier und den Kopf in den Wolken. Dabei hatten mir doch immer alle davon abgeraten, zu träumen.
Ich konnte es nie lassen.
Da war dieser blaue Tag, die Finger so blau wie die Gedanken und mir fehlte das Gefühl, dich zu vermissen, obwohl ich an dich dachte. Ich schickte dir in Gedanken eine gelbe Sonne und lachte leise bei der Erinnerung, die in mir aufstieg. Der Erinnerung an die Schule, so lange her.
Lachte traurig. Highschool is over. But highschool never ends. Und es gibt Dinge, die man einfach nicht vergisst. Auch wenn man sich nicht mehr an sie erinnern kann.
Gefühle, die man nicht vergisst. Obwohl die Bilder dazu fehlen. Situationen, die längst in Vergessen versunken sind. Und dennoch das Heute färben, es blau malen.
Ich fragte mich, wie es dir wohl gerade ging, wo du wohl warst. Das Grün in meinem Blau, mein bunt. Irgendwo an einem blauen Meer, hoffentlich. Ohne meinen Sturm, in einem goldenen Oktober.
Da war dieser blaue Tag, an dem ich mich wunderte, dass mein Tee immer noch grün war. Blauer Tee wäre sicher salzig und bittersüß. Mein Bleistift malte graue Kringel und Kreise, die entfernt an Buchstaben erinnerten und sicher auch Bedeutung hatten, selbst wenn ich sie nicht erkannte. Die Sonne blitzte durch Wolken, die schon vom Novemberwind getrieben über den Himmel rasten, und die Bäume hatten fast alle Blätter verloren. Bei solch einem Wetter saß ich gern auf dem Spielplatz, nur um zu beobachten, wie du von der Arbeit nach Hause kamst, bevor wir unabhängig voneinander gleichzeitig die Stadt für immer verließen, in unterschiedliche, wenn auch nicht entgegengesetzte Richtungen. An blauen Tagen halte ich immer noch Ausschau nach schwingenden Schaukeln und kleinen schwarzen Autos. Aber ich warte nicht mehr.
Ich frage mich nur, was du wohl denken würdest, wenn du mich heute sehen könntest, wie ich das tue, was du früher für mich getan hast, wenn du sehen könntest, was ich von dir gelernt habe und nun an andere weitergebe. Auch wenn ich viel zu emanzipiert und egozentrisch bin, um von sowas Albernem wie Vorbildern zu sprechen, wünsche ich mir doch, so gut zu werden, wie du es schon bist. Eines fernen Tages.
Da war dieser blaue Tag, an dem ich das alte Foto wieder in die Hand nahm, das ich niemals weglegen wollte. Wir in Berlin und ein sich drehender Platz. Erinnerst du dich? Ein Tag, der für ein Leben stand, das ich niemals leben würde. Und das ist in Ordnung für mich. Heute jedenfalls.
Da war dieser blaue Tag, der erste in einem neuen Leben, einem neuen Abenteuer. Doch mehr denn je fehlte – das Grün.
(aus November 2016)