Workshops Kreatives Schreiben

Inspektor Cleodo

Analog dem Brettspiel Cloedo werden aus einer Anzahl verschiedener Varianten der Täter, der Tatort und die Tatwaffe gezogen. Aus diesen drei Stichworten ergibt sich eine Geschichte (nicht zwangsläufig ein Krimi).

In diesem Beispiel: der Taxifahrer in der Bibliothek mit dem Kugelschreiber (Zeit: 45 min.)

Der Mann, dem ein Kugelschreiber im Hals steckte, gab Inspektor Cleodo zunächst einige Rätsel auf. Er wurde am Wissenschaftshafen gefunden, halb in die Elbe gezogen, die Hände jedoch noch im Trockenen. Und er hatte keine Tinte an den Fingern.

Der Privatdetektiv kannte sich mit allen Arten von Kugelschreibern aus und dieser schmierte, da war er sich sicher, besonders bei diesem heißen Wetter. Der Kugelschreiber konnte dem Opfer auf keinem Fall gehören.

Auch auf den Ufersteinen befand sich keine Tinte, Blut im Übrigen auch nicht. Dies konnte auf keinen Fall der Tatort sein, schloss der Inspektor und sah sich um. Wie hatte man den Herren hierher bringen können? In einem Auto, keine Frage.

Der Inspektor untersuchte also die Anzugsjacke des Toten genauer – die Fußsohlen waren normalerweise auch aufschlussreich, aber die lagen ja im Wasser.

Das Hemd und die Krawatte des Herrn waren sauber und ordentlich. Nachdem der Detektiv das Opfer jedoch auf den Bauch gedreht hatte, entdeckte er am Jackett ein Kaugummi, in dem eine Straßenbahnfahrkarte klebte, im Kragen einen Kassenzettel, der sich in der Naht verhakt hatte, und im Knopfloch des rechten Ärmels ein zerschlissenes Haargummi.

Unmöglich, dass ein Mann, der so auf seine Kleidung achtete, in einem so dreckigen Auto herumfuhr, er musste im Auto des Mörders zur Ablagestätte gefahren worden sein. Natürlich war es möglich, dass der Mörder einfach ein totales Schwein war, doch die Anzahl an verschiedenen Menschen- und Tierhaaren auf der Jacke ließ eigentlich nur einen Schluss zu – er war in einem Taxi gekommen.

Der Inspektor richtete sich auf und ließ den Leichnam wieder auf den Rücken rollen.

Just in diesem Moment fuhr ein Taxi in den Wendekreisel, hielt und ließ seinen Fahrgast aussteigen – etwas völlig unbedenkliches. Auch wenn der Fahrer seinen Gast stützte, würde dies nicht weiter auffallen, man würde ihn für betrunken halten, nicht für tot.

An der Unvollständigkeit, mit der die Kleidung des Opfers das Elbwasser die Beine entlang nach oben gesaugt hatte, erkannte der Inspektor, dass es noch nicht lange hier lag. Vermutlich wurde es zwischen sieben und acht am Morgen hier abgeladen und nicht lange davor getötet.

Offensichtlich, dass der Täter ein kräftiger Mann sein musste – oder eine sehr kräftige Frau, es befanden sich keine Schleifspuren auf dem Boden. Und es musste der Taxifahrer selbst gewesen sein, nur wenn der Fahrer selbst der Täter war, nahm er einen Fahrgast mit, dem ein Stift im Hals steckte.

Wo konnte die Tat begangen worden sein? Ein Blick in die Hemdtasche des Toten offenbarte dem Inspektor, dass er ein Mitarbeiter der Universität war, der anscheinend Bücher aus der Bibliothek holen wollte – das Zahlenkürzel auf dem gefundenen Notizzettel konnte nichts anderes bedeuten.

 

Vor der Universitätsbibliothek stand ein Streifenwagen mit kreisendem Blaulicht. Der Privatdetektiv ging selbstbewusst auf den Streifenbeamten zu, der ihm in den Weg trat. „Was ist hier passiert?“, fragte er.

„Eine große Menge Blut wurde zwischen den Regalen gefunden. Aber wir brauchen Sie hier nicht, Inspektor, Sie sind hier nicht zuständig.“

„Auch nicht, wenn ich die Leiche zu Ihrem Tatort habe?“

Der Inspektor schob den Streifenpolizisten zur Seite und ging hinein. Zwischen den Bücherregalen der Juraabteilung stand eine Gruppe Kriminalbeamter um einen dunklen Fleck auf dem Teppich herum, Tatortermittler in weißen Schutzanzügen krochen über den Boden.

„Es war der Taxifahrer mit dem Kugelschreiber in der Bibliothek“, sagte Inspektor Cleodo trocken, als er auf die Gruppe zuging.

„Das ist hier kein Spiel!“ und „Was zur Hölle!“, antworteten die Kommissare und drehten sich um.

„Können Sie neuerdings hellsehen, Inspektor?“, schimpfte der Hauptkommissar, „was machen Sie eigentlich hier? Welcher Taxifahrer bitte und überhaupt – warum?“

Der Inspektor zuckte die Achseln. „Motive gibt es bei Cleodo nicht. Und überhaupt – irgendwas müssen Sie auch noch selber machen.“

(entstanden Juli 2018)

 

Wenn ihr die Übung nachmachen wollt, schreibt mir eine Nachricht und ich schicke euch die Auflösung eures Rätsels!

 

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