#Kleptomanie
Je mehr ich lese, desto mehr schweige ich.
Wie sollte man auch in dieser durchkultivierten Welt irgendetwas neues sagen? Alles wurde hundertfach erzählt und hundertfach gehört, niemand hört mehr hin und selbst meine Computertastatur hat mir gekündigt. Die Worte gehorchen mir nicht mehr.
„Was willst du? – Sterben. Schlafen. Nichts weiter.“ (Shakespeare)
Aber „Wenn der Tag gekommen ist und ich meine Augen schließe … Ich will keine Trauerreden, ich will keine Tränen sehen“ (Sarah Connor).
„I only wanted to have fun/ Learning to fly…/ Learning to run…“ (Adele)
I wanted to write but all was already said.
Ich bin literarischer Kleptomane. Und selbst diesen Begriff habe ich geklaut (von Sarah Kane), immer fanden schon andere so viel bessere Worte für das, was ich schon lange sagen wollte, und ich übernahm einfach ihre …
Und trotzdem konnte ich nie aufhören zu schreiben. Es ist einfach in mir drin, dieser Drang, als hätte ich etwas ganz wichtiges zu sagen. Ich habe nur vergessen, was.
„Ich zögere, diesem fremden Gefühl, dessen sanfter Schmerz mich bedrückt, seinen schönen und ernsten Namen zu geben: Traurigkeit. Es ist ein so ausschließliches, so egoistisches Gefühl, daß ich mich seiner fast schäme – und Traurigkeit erschien mir immer als ein Gefühl, das man achtet.“ (Françoise Sagan)
Ich wollte Worte finden/ Die zuschlagen/ Wie Steine/ Und ich fand Worte/ Doch es waren nicht meine
Und damit zitiere ich mich schon selber.
Ein Gehirn, das keinen schönen Satz vergisst, ist kein reiner Segen. Ein Herz, das platzen will vor Trauer, Wut und Glück und nur platzen kann in Buchstaben, bedient sich gern an fremden Zeilen. Drum vergebt mir, Dichter, Denker, Sänger. Ihr sprecht mir aus der Seele, also trag ich euch auf den Lippen.
Je mehr ich lese, desto mehr schweige ich. Dabei hab ich noch so viel zu erzählen.
(02.01.2017)