Almost an Adult

Almost an Adult 23.19

Figur, die davon fliegenden Ballons hinterher läuft

Sie sagen, manche Erfahrungen könne man halt nicht machen, wenn man nicht fliegt. Und erzählen von der Erfahrung mit einer Schulklasse auf dem Flughafen bei Fluglotsenstreik, von Eltern, die anbieten, Geld für Alternativflüge vorzustrecken oder gleich einen Privatjet zu chartern.

Ja, ich werde wohl niemals die Erfahrung machen, jetzt hier und in wenigen Stunden in Spanien zu sein. Wenn ich nach Spanien will, werde ich Erfahrungen mit dem Wahnsinn transnationaler Zugverbindungen und Stunden in Zügen machen müssen. Aber ich glaube nicht, dass mein Recht auf Erfahrungen das Recht auf Leben derer aufwiegt, die jetzt schon – von Dämmen mehr schlecht als recht geschützt – unterhalb des Meeresspiegels leben oder in von wiederholten Dürren verherrten Gebieten. Und dabei ist an zukünftige Generationen noch gar nicht gedacht.

Jeder hat das Recht, Erfahrungen zu machen, das beinhaltet das Recht auf Leben. Aber niemand hat das Recht, jede Erfahrung zu machen, die sie sich vorstellen und wünschen kann. Auch Tiere zu quälen und Menschen zu töten ist eine Erfahrung – darf ich das?

Ich habe eine türkischstämmige Schwägerin. Ich würde ihr niemals sagen, sie solle darauf verzichten, ihre in der Türkei lebenden Eltern zu sehen, weil sie dafür fliegen (oder sehr viel Urlaub nehmen) muss. Aber nur der Erfahrung wegen?

Ich habe gestern zum ersten Mal seit langer Zeit einen meiner Lieblingsorte in meiner Heimatstadt wieder besucht. Diese Erfahrung hätte ich auch nicht gemacht, wäre ich statt nach Braunschweig zu fahren, weil ich Braunschweig ja schon kenne, nach Spanien geflogen. Eine wiederholte Erfahrung ist – zumindest mir – unendlich viel mehr wert als Millionen neue.

Und auch für neue Erfahrungen muss man nicht fliegen. Mein Hochstaplersyndrom hatte diese Woche genug damit zu tun, dass ich mich bei Patreon als Künstlerin verkaufe, dass ich in die Druckerei gefahren bin und Drucke meiner Bilder in Auftrag gegeben (und bezahlt) habe, auch wenn ich mir nach wie vor nicht vorstellen kann, dass jemand sie kaufen wollen könnte. Und in der nächsten Woche darf ich Dank des bevorstehenden Bahnstreiks auch ganz ohne Flüge erleben, wie eine geplante Reise umgeplant werden muss.

Wie alle Handlungen bleibt es eine Abwägungssache. Es gibt genau eine Erfahrung, die mir aktuell so viel wert wäre, dass ich dafür in ein Flugzeug steigen würde (Brandy Carlile live zu sehen). Aber ohne die negativen Konsequenzen für andere zumindest in die Rechnung einzubeziehen eine Entscheidung zu treffen, halte ich für vermessen. Ich bin nicht und werde nie mehr wert sein als ein x-beliebiger anderer, egal in welchem Bereich unseres Planeten und zu welcher Zeit sie geboren ist oder wird.

Und auch nach langer Zeit mal wieder durch meine Lieblingsläden der Braunschweiger Innenstadt zu bummeln hat mich viel zu viel Geld gekostet – wenn man wenig hat, ist „viel zu viel“ sehr schnell erreicht.

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