Im Sommer 2021 sind meine Frau und ich in eine neue Wohnung gezogen. Mit der alten Wohnung waren wir schon lange nicht mehr zufrieden, sie war nie auf Dauer geplant. Gerade während des ersten Lock-Downs 2020 haben wir gemerkt, dass wir zwar kein Problem damit haben, vierzehn Tage rund um die Uhr zusammen zu sein, aber dass unsere Wohnung definitiv zu klein war. Also haben wir gesucht.
Unsere Vorstellungen waren sehr genau, mindestens vier Zimmer, damit wir neben dem gemeinsamen Wohnzimmer und Schlafzimmer auch jede ihr eigenes Zimmer haben, gerne mit Balkon, noch besser mit Garten. In Radnähe der Innenstadt, da ich keinen Führerschein habe und mich nicht zu sehr von meiner Frau abhängig machen kann und will. Gut erreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine große Küche und ein Bad mit Fenster.
Paradies in Wohnungsform
Dass dies so schwer zu finden sein würde, hätte ich nicht gedacht, aber immerhin sind Wohnungen in Magdeburg noch verhältnismäßig bezahlbar. Und die Wohnung, die wir gefunden haben, übertrifft unsere Vorstellungen sogar: die Küche ist bestimmt drei Mal so groß wie die alte, was wichtig ist, wenn man gerne viel und frisch kocht. Jetzt können wir in der Küche auch gemütlich essen und ich habe für die lazy mornings sogar einen Sessel am Fenster stehen. Wir haben einen Balkon und einen Garten, und da die Wohnung im Hochparterre liegt, kann ich vom Balkon in den Garten springen. Der Garten ist groß genug für den Anbau von viel verschiedenem Gemüse und Kräutern und eine zusätzliche Sitzecke – nur gut gepflegt ist er nicht. Es wird noch mindestens einen Sommer dauern, bis ich die vielen Steine im Boden gefunden und zu anderen Zwecken verwendet habe.
Die Wohnung ist fast doppelt so groß wie die alte, was natürlich einen Luxus darstellt und unseren ökologischen Fußabdruck deutlich vergrößert. Aber endlich haben wir den notwendigen Platz, uns kreativ frei entfalten zu können, ich mit Texten und Bildern, meine Frau am PC. Kreativität braucht Platz – aber auch Ordnung, um verschiedene Aufgaben klar voneinander trennen zu können. Jetzt habe ich in meinem Arbeitszimmer zwei Schreibtische: einen, der nur dem Schreiben dient, dem Romanschreiben oder auch dem Schreiben von Unterrichtsentwürfen. Der Arbeit. (Denn zu lernen, dass auch das Schreiben mein Beruf ist, ist eins meiner Ziele im neuen Jahr.) Der zweite Schreibtisch, der sehr viel größer ist und auf dem nichts steht, ist der freien Kreativität gewidmet, hier kann ich nach Lust und Laune malen, kleben, gestalten, Stoffe zuschneiden. Oder – wenn ich ihn gerade nicht benötige, die Tischplatte an die Wand lehnen und mir den Schaukelstuhl ans Fenster rücken, um ein Buch zu lesen.
Kreativplätze
Bei der Arbeit schaue ich an die Wand und die Notizzettel, die dort hängen. Beim Gestalten schaue ich aus dem Fenster. Da passiert zwar nicht viel, wir wohnen in einer ruhigen Nebenstraße, aber der Blick bietet Bäume und Himmel und viel Freiheit. Bei der Arbeit kann ich mich fokussieren und konzentrieren, beim Gestalten können meine Gedanken wie auch mein Blick frei schweifen. Das erhöht die Achtsamkeit sowohl beim Arbeiten als auch beim Gestalten und bietet mir mehr Ruhe.
Auch die Gartenarbeit beruhigt mich. Einen Garten zu haben, in dem man Gemüse anbaut, scheint vielen mehr Arbeit als Luxus zu sein. Aber für mich ist es Wellness, in der Erde zu wühlen, Pflanzen zu pflegen und am Ende des Tages – beziehungsweise am nächsten Morgen – das Werk meiner Arbeit betrachten zu können. Der Morgen ist immer wieder und immer noch schwer für mich, meine Motivation am Boden und alle Kraft in wirren Träumen verbraucht. Doch wenn ich aus dem Wohnzimmer über meinen Garten blicke, fühle ich mich wohl.
Die neue Wohnung ist ein Zuhause anstatt nur ein Platz zum Wohnen zu sein. Bisher haben wir nur gewohnt, jetzt leben wir wieder. Die Wohnung ist mein Ruhepol, an dem ich mich sicher fühle, besonders wenn das Außen immer noch so unvorhersehbar und potentiell gefährlich ist. Von hier aus kann ich gut in jedes Abenteuer starten, das auf mich wartet.
Umzug ist kein Urlaub
Auch wenn es im vergangenen halben Jahr schwer war. Die Sommerferien und noch mehr Freizeit sind komplett für den Umzug draufgegangen, das hing uns noch bis Weihnachten nach. Bis die neue Wohnung kein heilloses Chaos mehr war und die erhoffte Struktur bot, war noch viel Arbeit von Nöten und immer noch ist nicht alles an seinem Platz. Außerdem wohne ich jetzt sehr viel weiter von der Schule weg, in der ich an – momentan – zwei Tagen in der Woche unterrichte. Das hat den Vorteil, dass ich schon auf dem Arbeitsweg (in der Regel mit dem Fahrrad an der Elbe entlang, wunderschön!) Abstand gewinnen kann. Ich habe automatisch Bewegung und frische Luft, ohne mich nach der Arbeit noch einmal aufraffen zu müssen. Aber natürlich bedeutet es auch, dass ich noch früher aufstehen muss. Und der Morgen ist nicht mein Freund – ich glaube, das habe ich schon gesagt?
Der Umzug und die neue Wohnung haben viel Raum eingenommen im Jahr 2021, deshalb bekommen sie auch im Jahresrückblick viel Raum. Aber schon jetzt macht das neue Zuhause mich sehr viel glücklicher und ruhiger und es ist gerade erst der Anfang.