Tagespolitisches

Das Fürchten lernen – aber richtig

Sicherheit ist eine Illusion. Nichts lässt sich auf ewig festhalten. Diese Jahrtausende alte Weisheit scheinen wir in letzter Zeit vergessen zu haben.

Im sogenannten „Kampf gegen den Terrorismus“ zeigt sich immer wieder deutlich, dass wir mit unseren ureigensten Ängsten, der Angst vor dem Anderen, dem Fremden, dem potentiell Gefährlichen nicht gut umgehen können. Wir verwandeln sie lieber in Wut, die wir gegen jeden, egal ob gefährlich oder nicht, richten. Es gleicht dem Kleinkind, das – zum ersten Mal allein in der Krippe – um sich schlägt, anstatt in den fremden Kindern mögliche Freunde zu sehen.

Dabei verstärkt dieses Verhalten die Gefahr gerade noch. Trumps versuchter Einreisebann gegen alle Muslime spielt der IS gerade in die Tasche, wenn sie sich als Rächerin der Unterdrückten ausgibt. Und ein Terroranschlag auf amerikanischem Boden, der, seien wir mal realistisch, kommen wird, spielt wieder Trump einen Joker zu.

Mit der IS und Donalt Trump haben wir zwei große Mächte, denen das Siegen wichtiger ist als das eigene Leben. Oder gar das Leben so unwichtiger Menschen wie der Zivilbevölkerung. Die IS erwartet nach dem Tod das Paradies, Trump – vermutlich – ein glück- und schmerzloses Nichts, das kein großer Preis dafür ist, sich vorher im Spielzeugladen der Welt noch mal richtig ausgetobt zu haben. Die Großen sterben doch ohnehin immer erst am Schluss, kein Mächtiger würde heute noch seiner Streitmacht vorausreiten, und das Schlachtfeld ist schon lange die ganze Erde. Man kann sich nicht verstecken.

Das ist bedrohlich, ich weiß. Sich aus den großen Streitereien rauszuhalten, sichert niemandem das Überleben. Aber müssen wir uns deshalb gleich mitprügeln?

Wenn man wie Trump seine Macht genießt, die immer nur aus der Ohnmacht anderer entsteht, vielleicht. Aber ich weigere mich zu glauben, dass es allen AfD-Wählern, Asylfeinden und Stammtischpolitikern so geht. Wie also sich verhalten, wenn man einfach Angst hat vor der immer kleiner werdenden Welt?

Zunächst ein paar einfache logische Schlussfolgerungen, die in der Angst viel zu leicht untergehen:

1. Keine Flüchtlinge aufzunehmen schützt uns nicht vor Anschlägen. Terroristen haben schon einmal ein Flugzeug entführt und als Waffe benutzt. Sie werden immer einen Weg finden. Und es wird den IS auch nicht freundlicher stimmen, wenn wir vor ihnen Geflüchtete abweisen, wie das Beispiel der USA zeigt. Die IS (er-)findet Gründe für ihre Taten, ganz egal, was wir tun.

2. Gewalt erschafft Gegengewalt. Wie wir alle im Streit mit Geschwistern oder Nachbarskindern gelernt haben, endet Streit nur selten damit, dass der eine den anderen überzeugt. Vielleicht beugt er sich der schieren Übermacht, der Gewalt des anderen, aber er wird fortan ewig auf eine Möglichkeit zu Rache sinnen. Auch wenn wir viel darauf geben, nicht nachtragend zu sein, sagen wir doch auch immer wieder „Du hast doch auch letzte Woche …“ und halten das für ein Argument. Kein Streit, der durch Gewalt oder momentare Erschöpfung endet, ist wirklich beigelegt. Er wird immer wieder aufgewärmt, auf neues Brot geschmiert, von Generation zu Generation. Wir können Streit nur beilegen, wenn wir akzeptieren, dass wir uneinig sind, wenn wir anerkennen, dass wir verschieden sind und uns trotzdem eine Erde teilen.

3. Niemand lebt ewig. Das ist uns allen klar. Ob nun durch einen Autounfall, einen Herzinfarkt oder einen Terroranschlag, wir alle werden irgendwann sterben. Warum nur haben wir vor einem Terroranschlag so viel mehr Angst? Offensichtlich ist, dass sich hier viel leichter ein Täter identifizieren lässt. Auch hat er das Töten beabsichtigt, anstatt es „nur“ in Kauf zu nehmen wie ein rücksichtsloser Fahrer. Und vielleicht macht es daher mehr Sinn, jemanden nachträglich anzuklagen, doch vorbeugen lässt sich ihm kaum, anders als vielleicht dem Herzinfarkt, der ja doch zu einem großen Teil von unserem Lebenswandel abhängt.

Ist das das eigentliche Problem? Dass wir wissen, dass wir den Terrorismus niemals kontrollieren können werden? Vor einem Herzinfarkt können wir uns – in einem gewissen Rahmen – durch gesunde Ernährung und Bewegung schützen, vor dem Verkehrsunfall durch eine vorsichtige Fahrweise. Vor der Gefahr, die in jedem anderen Menschen liegt (statistisch gesehen im geliebten Anderen sogar mehr als im fremden) kaum. Na klar macht das Angst. Wenn wir doch aber wissen, dass alle unsere Versicherungen und Kontrollen uns nicht schützen und alle unsere Gewalt das Problem nur größer macht, warum hören wir nicht einfach auf?

Auch ich fürchte mich. Und ich sehe die Furcht bei anderen. Also reiche ich ihnen die Hand, gemeinsam lässt sich Furcht viel besser ertragen.

 

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