Die alte Dame sitzt im Café, wie jeden Abend. Wie jeden Abend bestellt sie eine Tasse schwarzen Tee, wie jeden Abend nimmt sie ein Stückchen braunen Zucker und viel Milch, wie jeden Abend bleibt sie allein.
Die alte Dame schreibt mit schwarzer Tinte in ein in rote Seide gebundenes Buch, wie jeden Abend. Die mageren Finger klammern sich an die schwarze Füllfeder, als sei sie der letzte Halt in einer großen Welt. Niemand weiß, was sie jeden Abend in ihr Buch schreibt. Niemand spricht mit ihr, außer der Kellner, der ihre Bestellung längst kennt, bevor die blassen, schmalen Lippen zu sprechen beginnen. Niemand schaut sie wirklich an, die sonnengebräunte, faltige Haut, die weiße Dauerwelle, die glänzenden, meerblauen Augen – all das ist zu gewöhnlich für dieses Café, um Beachtung zu finden.
Es ist ein Café, in dem niemand die anderen Gäste beachtet, weil jeder zu sehr mit der Wichtigkeit seiner selbst beschäftigt ist. Nur die alte Dame sieht sich wachsam um, bevor sie zu schreiben beginnt, und prägt sich jedes Gesicht gut ein. Wie jeden Abend sitzt sie in der hintersten Ecke mit dem Rücken zur Wand und wie jeden Abend schreckt sie jedes Mal auf, wenn die Türglocke klingelt. Wie immer entgeht ihr nichts.
Wie jeden Abend wird die alte Dame nach genau sechzig Minuten ihr Buch und den Füller nehmen, den Löffel in die Teetasse stellen und einen Geldschein daneben legen. Wie jeden Abend wird sie das Café unbemerkt verlassen und bevor sie noch in der Dunkelheit verschwunden ist, werden die Menschen sie vergessen haben.
Diese alte Dame werde ich sein, vielleicht, in sechzig Jahren. Und ich werde dir immer noch schreiben.
(2006)