
Etwas verspätet, aber wie versprochen doch noch, die Grüße aus dem Schreibhain!
Aufgabe: Gegebenen Satz weiterschreiben. „Ein Meister der klaren Texte war Robert Gunning…“
Ein Meister des klaren Lebens war er nicht. Immer wieder war er überrascht, dass man das Leben nicht so planen konnte, wie seine Texte. Er plotete, er entwarf Handlungsbögen und Spannung, er versuchte, Szenen zu streichen. Aber nur weil er sie aus seinem eigenen Gedächtnis strich, verschwanden sie nicht aus dem Gedächtnis der anderen. Die anderen entwarfen ihre Handlungsbögen anders, wählten eine andere Richtung, ein anderes Genre gar. Wenn er einen Abenteuerroman lebte, tat seine Frau zum Beispiel gar nichts, obwohl Robert genau wusste, dass Nichtstun einen Roman unerträglich langweilig machte. Aber sie beharrte darauf, dass das Leben kein Roman sei und man sich nach der Arbeit durchaus auch mal bei dünner Fernsehunterhaltung entspannen durfte. Robert suchte ein Elixier, um die Erlösung zu finden, doch was er auch versuchte, seine Frau ließ sich weder durch Theaterkarten motivieren noch durch Koffeinpulver im abendlichen Kräutertee beleben. Sie blieb sie selbst, auch wenn Robert längst herausgefunden hatte, dass sie als Antagonistin in seinem Leben nicht taugte. Sie regte sich ja noch nicht mal darüber auf, wenn Robert alleine wegging. Sie nickte nur, wünschte ihm viel Spaß, und legte die Füße hoch. Und ihre Füße steckten in selbstgestrickten Socken von Oma, dabei hatte doch Robert die Szene mit Omas Tod aus ihrem Leben gestrichen, die ganze Figur, sie lenkte die Handlung nur auf einen unwichtigen Seitenstrang, der ihm gar nicht behagte. Er hatte mit Gefühlen zu tun und Robert wollte doch eigentlich nur Mut und Stärke beweisen, keine Schwäche trösten. Er wollte als Archäologe Schätze finden, die die Welt verändern, doch leider war er nur Bibliothekar im wissenschaftlichen Institut, niemand las die klaren Texte, die er entwarf, weil er ohne Abitur niemals hatte studieren können. Sein Abitur nachzumachen kam ihm nicht in den Sinn, schließlich wäre das ein Umweg gewesen, und er liebte die klaren Linien. Umwege passten nicht in seine Texte, nicht in seine Gedanken und nicht in sein Leben. Sicher war es auf einem Umweg gewesen, dass er seine jetzige Frau kennenlernte, und um diesen wieder auszubügeln, hatte er sie geheiratet, denn sie war zu penetrant gewesen, sie ließ sich nicht streichen. Und für irgendetwas musste diese Szene dann ja gut sein und hat nicht jeder Abenteurer einen Gefährten an seiner Seite? Blöd nur, dass sie die Rolle der Gefährten niemals annehmen konnte. Sie wollte vielleicht einen drögen Liebesroman leben, Robert wusste das nicht, er hatte sie nie gefragt. Und sie selbst sprach gar nicht über Literatur und auch nicht darüber, wie sie sich das Leben im Allgemeinen und ihre Ehe im Besonderen vorstellte. Sie ließ sich treiben, vielleicht hätte sie ja gerne mal Kinder gehabt, Robert wollte keine, aber es wäre doch nur die Konsequenz des Eheplots, deshalb hätte er sich darauf einlassen können. Unruhe umwohnte ihn, wenn sie mal wieder auf der Couch lag, mit den Wollsocken unbekannten Ursprungs an den Füßen, und einfach so einfach nichts tat, er wollte sie wachrütteln, du hast nur eine Geschichte, also mach etwas daraus. Aber sie hörte ihm wahrscheinlich nicht einmal zu.