Dieses Mädchen mit den traurigen Augen und der muslimischen Mutter. Sie ist doch noch viel zu klein, um die Flucht und den Heimatverlust – wo auch immer sie herkommen – bewusst erlebt zu haben. Und dennoch hat sie die Sorgen ihrer Mutter über die Muttermilch aufgesogen, über die Umarmungen hat sie die Hoffnungslosigkeit ihrer Umgebung angenommen.
Wir züchten dort eine ganze Generation von Menschen, die unsagbar traurig sind und gar nicht wissen, warum.
Und du sagst mir, die kriegen alles hinterhergeworfen. Beschimpfungen und Steine, ja, du hast Recht.
Kannst du dir vorstellen, wie es ist, von einem Moment auf den anderen seine Heimat verlassen zu müssen, sich ins Ungewisse aufzumachen? Es kam nicht von einem Moment auf den anderen? Sie hatten die Papiere schon gepackt und Geld zurückgelegt für die Schlepper. Aber kannst du dir vorstellen, zu leben, immer mit einem Blick über die Schulter, immer in der Befürchtung, morgen bist du nicht mehr hier?
Kannst du dir vorstellen, was sie gesehen haben auf der Flucht? Was sie bezahlen mussten, an Geld, Körper und Leben, damit wenigstens ein Teil der Familie Deutschland erreicht?
Und jetzt sag noch mal, sie haben es ja gut, sie müssen für die Straßenbahn ja nicht zahlen.
Dieser Junge mit dem verbissenen Gesichtsausdruck in der Berufsschule. Er will doch eh nichts lernen, sagst du, er will hier nur Sozialleistungen abgreifen. Aber weißt du, dass er schon etwas gelernt hat, zu Hause, dass er seit Jahren die Mutter und die kleinen Geschwister ernährt hat? Wir behandeln ihn wie ein kleines Kind und wundern uns, dass er wütend wird.
Wir züchten hier eine ganze Generation von Menschen, die jederzeit explodieren können. Nicht, weil wir ihre geschundenen Körper reinlassen.
Wir lassen ihre Körper ins Land, nicht ihre Herzen. Wir lassen ihre Kraft ins Land, aber nicht die Hoffnung. Wir lassen ihre Wut ins Land, aber nicht die Möglichkeit, diese zu nutzen. Wir lassen sie rein, aber niemals ankommen.
Dabei könnten auch wir so viel von ihnen lernen.
Ähnliche Beiträge: