Zwischen den Zeilen fließen Tränen, schlagen Herzen, brennt ein Feuer. Wir müssen es nur schreiben.
Ihr mögt euch nach den ersten Beiträgen fragen, was habe ich denn davon mich selbst zu kennen? Ich kann jetzt vielleicht besser Entscheidungen treffen, aber ist das Selbstfürsorge?
Ich fühle was, was du nicht fühlst
Einerseits muss man natürlich die eigenen Wünsche und Bedürfnisse, die eigenen Ängste und Ärgernisse kennen, um sich gut um sich selbst kümmern zu können.
Andererseits geht es aber jetzt auch erst richtig los damit, unsere Seele in Worten zu baden, zu salben und zu pflegen. Ab jetzt geht es um unsere Gefühle.
Was fühle ich eigentlich?
Wieder arbeiten wir mit der letzte Woche besprochenen Methode der freien Assoziation. Zunächst erinnert die Aufgabe noch an die Beiträge des ersten Abschnitts. Wieder geht es darum, in sich etwas zu finden, das die ganze Zeit schon da war. Sich in Bezug auf die eigenen Gefühle besser kennen zu lernen.
Doch statt der Frage, was ich eher allgemein gesehen wünsche, geht es jetzt um den direkten Moment: Wie geht es mir gerade jetzt? Was würde ich fühlen, wenn es jetzt anders wäre?
In mir ist nichts
Wir alle kennen diese Momente, in denen wir uns nur noch leer und müde fühlen. Meist liegt dem etwas ganz anderes zu Grunde, das wir noch nicht erkannt haben. Dafür lohnt es sich, einmal nachzuschauen. Bin ich überarbeitet? Habe ich Angst vor dem morgigen Tag? Hat mich jemand verletzt, auf den ich einfach nicht wütend sein kann? Ich bin befördert worden – warum freue ich mich eigentlich nicht?
Wenn wir nur still in uns hineinhorchen, schweifen unsere Gedanken schnell ab, wir denken über die Aufgaben für morgen nach oder tagträumen vom nächsten Urlaub. Mit dem Stift auf dem Papier jedoch können immer tiefer in uns hinabsteigen.
Ob etwas passiert ist und wir noch nicht recht wissen, was wir davon halten sollen, oder wir allgemein nicht wissen, was wir gerade fühlen – das Schreiben über unsere Gefühle und den Moment steigert die Achtsamkeit auch in den Momenten, in denen wir keine Gelegenheit zum Schreiben haben.
Was wäre wenn …
Doch auch bevor die Beförderung eingetreten ist, können wir uns schon erschreiben, wie wir uns fühlen würden. Wir erschreiben uns mögliche Situation im Konjunktiv mit einem Schwerpunkt auf den Gefühlen. Vielleicht nur aus Neugier. Vielleicht um uns auf eine bevorstehende Situation vorzubereiten. Vielleicht um Standardsituationen zu verändern.
Seid ihr immer aufgeregt, wenn ihr mit Vorgesetzten sprechen müsst? Wie wäre es denn, wenn ihr ohne Angst reingehen würdet? Oder euer Vorgesetzter ein Hawaihemd tragen würde? Oder ihr jeden Tag mit euren Vorgesetzten reden müsstet?
Die Kleidung eurer Chefs könnt ihr nicht beeinflussen, aber üben könnt ihr – jeden Tag in Gedanken und mit dem Stift in die Situationen gehen, die euch Angst machen. Ihr müsst euch einfühlen, damit eure Gefühle der Originalsituation möglichst nahe kommen, dennoch habt ihr mehr Kontrolle darüber. Schließlich geht es ja um nichts. Und so könnt ihr eure persönlichen Angstmomente so lange umschreiben, bis sie euch keine Angst mehr machen.
Und auch auf neue Situationen könnt ihr vorbereiteter reagieren, wenn ihr sie einmal gedanklich, gefühlt vorweggenommen habt. Ein Verlust tut immer noch weh, ein Vorstellungsgespräch ist immer noch gruselig, aber ihr habt schon Strategien entwickelt, damit umzugehen.
Oder braucht ihr einfach gerade einen Sonnenstrahl im Novembergrau? Schreibt euch in den Urlaub, gewinnt einen Oscar, was auch immer ihr wollt. Streichelt eure Seele. Ihr habt es verdient.
In deinen Schuhen …
Eine besondere Variante des „Was wäre wenn“s ist der Versuch, ein paar Meter in den Schuhen eines anderen zu gehen. Wie fühlt es sich an, die Heimat verlassen zu müssen und in einem Flüchtlingsboot zu sitzen? Wie ist es wohl, The Voice Of Germany zu sein? Was fühlt der Lehrer vor der Klasse, der Schriftsteller vor dem leeren Blatt, der Patient vor der Diagnose?
Nicht alles könnt ihr wissen, aber nutzt eure Fantasie und ihr werdet vieles finden. Natürlich wisst ihr im Anschluss nicht, wie ein anderer sich wirklich fühlt. Natürlich könnt ihr höchstens erfahren, wie ihr euch in der Situation eines anderen fühlen würdet. Und dennoch lohnt dieser Perspektivwechsel. Er ist nicht nur spannend, sondern steigert eure Empathie und verbessert eure Beziehungen.
Selbstfürsorge ist notwendig, um für andere sorgen zu können. Doch das heißt nicht, dass ihr die anderen vergessen könnt. Nur in einem gesunden Umfeld könnt ihr gesund wachsen.
Hand auf’s Herz
Wie geht es euch? Und ich meine diese Frage ernst. Viel zu oft müssen wir diese Frage mit unseren schönsten Lügen beantworten, weil niemand sehen will, wie es in uns aussieht. Tut euch das nicht auch noch selber an.
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lest! schreibt! lebt!
Aufgaben:
- Schreibt automatisch den Satz fort: „Mein Herz ist eine Nuss und in dieser Nuss ist viel nichts und ein kleiner Keim von …“
- Versetzt euch in die Position eines Menschen, mit dem ihr Streit habt. Schildert den Streit aus seiner Perspektive. Fühlt den Streit aus seiner Perspektive.
- Wie wäre es, jetzt am Meer zu sein? Badet im Sand. Wie fühlt sich die Sonne auf eurer Haut an? Wie schmeckt das Eis, das ihr kauft?