Automatisches Schreiben ist doof? Habe ich auch mal gedacht. Ich war nie gut darin, weil mein Denken mir immer im Weg stand, der Kopf ist schneller als die Hand und schreibt jeden Gedanken dreimal um, bevor er das Papier erreicht. So richtig automatisch ist das nicht.
Dabei ist es so einfach! Man braucht nichts außer einem Stift und Papier und ein bisschen Zeit. Eine lange Zugfahrt? Die lange Mittagspause zwischen den Unterrichtsblöcken vergessen? Im Wartezimmer beim Facharzt und nichts zu lesen dabei? Kein Problem!
Man braucht kein Thema, keinen ersten Satz, keine Textidee. Einfach Stift raus und drauflos schreiben. Zugegeben, der Text wird keinen Leser großartig interessieren, es sei denn, ihr gehört zu den großen Schriftstellern, deren Name allein jeden notierten Gedanken interessant macht. Aber ihr könnt selbst sehr viel aus solchen Texten lernen.
Ich schreibe, wenn das selbstständige Arbeiten meiner Gruppe mich als Lehrerin überflüssig macht und mich dadurch verunsichert. Ich schreibe, wenn ich mit dem Zug zu einem Vorstellungsgespräch fahre und nicht weiß, ob, geschweige denn warum ich die Stelle wirklich will. Und besonders viel schreibe ich, wenn ich mit einem Romanprojekt anfange und die Figuren noch nicht kenne, wenn ich mich einem wissenschaftlichen Thema nähere, aber noch nicht weiß, welche Frage mich daran eigentlich interessiert. Dann sitze ich irgendwo, habe nichts zu tun, aber Zettel, Stift und Zeit, und frage mich zum Beispiel, ob Jona eigentlich Geschwister hat. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich es noch nicht. Aber ich weiß, was für ein Mensch Jona ist und welche Geschichte ich über sie erzählen will. Also probiere ich es aus: Was wäre, wenn Jona Geschwister hätte? Und was, wenn nicht? Drei Seiten und viele Randgedanken später weiß ich dann, dass sie keine Geschwister hat.
Oder ich frage mich, warum der böse Hexer Abraxos in meinem Märchen „Die Steinfee“ eigentlich so böse ist. Niemand ist einfach so einfach böse, auch wenn es in Märchen oft so dargestellt wird. Ich lasse meine Gedanken los und schreibend sehe ich seine Kindheit, seine Jugend. Die Leser werden es nie erfahren, aber sie werden es – hoffentlich – spüren, dass ich es weiß.
Oder ich frage mich einfach nur, warum ich keine Lust habe zu schreiben, warum ich so müde bin. Oft wiederhole ich nur einen Satz. Ich bin so müde, ich bin so müde, ich bin so müde. Heute geht das einfach nicht.
Dann versuche ich es am nächsten Tag wieder. Und am übernächsten. Nicht immer sind festgehaltene Gedanken der Gegner, nicht immer die Lösung. Manchmal sind auch einfach keine Worte da. Aber sie kommen wieder.
Also: lest! schreibt! lebt!
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